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Unternehmensnachfolge: Nach mir die Sintflut?

Nach mir die Sintflut?

Unternehmensnachfolge im Mittelstand

Nicht erst seit heute stellt der Generationswechsel in deutschen Unternehmen eine enorme Herausforderung dar. In der Tat entscheiden sich viele Firmeninhaber zu spät dazu, die Zügel aus der Hand zu geben. Hinzu kommt, dass infolge des demografischen Wandels geeignete Nachfolgekandidaten Mangelware sind. Somit gilt mehr denn je, die Übergabe frühzeitig zu regeln.

„Das Finden geeigneter nachfolgender Personen wird in den kommenden Jahren schwieriger werden“, schreibt das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen auf seiner Internetseite. „Die demografische Entwicklung verkleinert die Anzahl der potenziell Selbstständigen. Gleichzeitig kommt es häufiger vor, dass Unternehmerinnen und Unternehmer früher den Übergang in den Ruhestand suchen und Kinder, statt den Familienbetrieb zu übernehmen, eigene Wege gehen.“
Mit diesem Problem sehen sich immer mehr Betriebe konfrontiert. Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn ist für den Zeitraum 2022 bis 2026 bundesweit bei etwa 190.000 Unternehmen eine Unternehmensnachfolge zu erwarten. Mit fast 40.000 Unternehmen stünden die meisten Nachfolgen in Nordrhein-Westfalen an, gefolgt von Bayern mit fast 35.000 und Baden-Württemberg mit mehr als 27.000. Die Branchen, die davon am meisten betroffen sein könnten, seien unternehmensbezogene Dienstleistungen, gefolgt vom produzierenden Gewerbe und vom Handel.

Riskantes Versäumnis

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Der demografische Wandel zählt zu den Hauptgründen, weshalb sich der Generationswechsel in deutschen Firmen als zunehmend schwieriger gestaltet.
Somit gestaltet sich der Generationswechsel in deutschen Firmen als zunehmend schwieriger. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmer bereits frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um eine geordnete Übergabe zu gewährleisten.

Doch viele Inhaber entscheiden sich viel zu spät dazu, die Führung des Unternehmens in jüngere Hände zu legen. Eine vor circa zehn Jahren im Auftrag der Unternehmerbörse (DUB.de) von TNS Emnid durchgeführte Studie zur Unternehmensnachfolge registrierte, dass Unternehmen im Mittelstand grob fahrlässig mit der Nachfolgefrage umgehen: „Viele Unternehmer arbeiten, bis sie krankheitsbedingt aufgeben müssen oder sogar bis zum Tod – ohne entsprechende Nachfolgeregelungen getroffen zu haben“, stellte die Untersuchung fest. „Das heißt, nicht nur die Existenz zahlreicher Betriebe ist in Gefahr, sondern auch hunderttausende Arbeitsplätze, denn der Mittelstand ist in Deutschland das Rückgrat der Wirtschaft.“
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Immer noch arbeiten viele Unternehmer, bis sie krankheitsbedingt aufgeben müssen, ohne Nachfolgeregelungen getroffen zu haben.
Schwerer Abschied

Seitdem hat sich nicht viel geändert. Immer noch verschieben Altunternehmer den Zeitpunkt, an dem sie sich aus dem Geschäft zurückziehen und den Stab weitergeben. Dafür gibt es meist emotionale Gründe. Schließlich bereitet es ein gewisses Unbehagen, Macht aufzugeben. In vielen Fällen empfindet der Senior das Ausscheiden aus dem Betrieb als gesellschaftlichen Abstieg. Er sieht sich bereits als Rentner.
 
Häufig auch betrachtet der Senior die Zukunftsaussichten seines Unternehmens mit großer Skepsis. Er hat Angst, dass alles schief geht, sobald er nicht mehr dabei ist.
Oft ist es auch so, dass er glaubt, sein Sohn oder seine Tochter sei (noch) nicht in der Lage, die Firma zu führen. Ob er mit dieser Überzeugung Recht hat oder nicht, spielt keine Rolle. Es ist sein subjektives Empfinden und deswegen tut er sich mit der Weitergabe schwer.

Und dies gleicht einem Spiel mit dem Feuer:  Wer nicht früh genug damit beginnt, handelt fahrlässig und gefährdet nicht nur die Existenz der Firma bei Übergabe, sondern setzt sich auch bereits vorher hohen Risiken aus. Zu diesen gehören beispielsweise ein schleichender Werteverfall des Unternehmens sowie ungünstige Finanzierungskonditionen, da Kreditinstitute eine sorgfältig geplante und zielgerichtete Nachfolgeplanung bei der Bewertung berücksichtigen. Nicht zuletzt ist auch in Bezug auf Steuern mit erheblichen Nachteilen zu rechnen – dies, weil die Regelungen zur Optimierung der Steuerlast zum Übergabezeitpunkt erst mit erheblichem zeitlichem Vorlauf ihre volle Wirkung entfalten. Es ist daher unerlässlich, die Nachfolgeplanung frühzeitig und umfassend zu organisieren, um das Unternehmen langfristig zu sichern.

So gilt es, spätestens mit 55 Jahren die ersten Vorbereitungen zu treffen, denn der erfolgreiche Abschluss eines Nachfolgeprozesses kann bis zu sechs Jahre in Anspruch nehmen. Die Übertragung von Verantwortung sollte nicht als ein einmaliges Ereignis betrachtet werden, sondern als ein Prozess, der Zeit, Ressourcen und eine klare Strategie erfordert.
Die suche nach dem Richtigen

Die erste Hürde besteht logischerweise darin, einen Nachfolger zu finden, der über alle für die bevorstehende Aufgabe notwendigen Kompetenzen verfügt. Für die meisten Unternehmer ist die beste Option, einen Familienangehörigen einzubeziehen. Doch eine Einigung zwischen den Generationen ist nicht immer leicht zu erreichen. Nicht selten kommt es vor, dass der potenzielle Nachfolger kein Interesse für das Geschäft zeigt, oder schlicht und einfach nicht die erforderlichen Qualifikationen mitbringt.
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Da der erfolgreiche Abschluss einer Nachfolge mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann, gilt es, mindestens mit 55 Jahren mit der Planung zu beginnen.
Gelingt es dem Senior partout nicht, ein Familienmitglied in die Führung des Unternehmens einzubinden, gibt es eine weitere Möglichkeit: Die eigenen Mitarbeiter können das Unternehmen im Rahmen eines Management Buy-outs (MBO) übernehmen. Dies erfordert allerdings die Entwicklung von Beteiligungsmodellen und möglicherweise auch die Beantragung öffentlicher Fördermittel sowie die Absicherung durch Bürgschaften.

Muss dann außerhalb der Verwandtschaft gefahndet werden, gestaltet sich die Suche tatsächlich meist als extrem aufwendig und nimmt auf jeden Fall sehr viel Zeit in Anspruch. Hat man aber endlich Erfolg und einen qualifizierten Kandidaten ausfindig gemacht, ist längst noch nicht alles geregelt. Im Gegenteil, es ist der Beginn eines weiteren, langwierigen Prozesses. Denn es gibt viel zu regeln. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem Neuen um einen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen, um einen Existenzgründer oder um ein übernahmeinteressiertes Unternehmen handelt.
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Ein professioneller Berater kann, aufgrund seiner neutralen Perspektive als externe Person das Projekt effektiv moderieren.
Unternehmenswert ermitteln

Es ist ratsam, in jedem Fall zuerst den Unternehmenswert zu ermitteln. Eine realistische Einschätzung ist hierbei besonders wichtig, da die Ergebnisse einer Überprüfung durch potenzielle Käufer oder Kreditinstitute standhalten müssen. Anschließend können die Verhandlungen über den Kaufpreis beginnen und es kann die steuerlich günstigste Lösung gefunden werden. Des Weiteren müssen die Verträge entworfen werden. Schließlich sollte der Kaufinteressent sein Finanzkonzept erarbeiten und eine Genehmigung dafür einholen.
Gut zu wissen: In Deutschland unterstützen Bund und Länder sowohl Übernahme- als auch Übergabekandidaten mit öffentlichen Leistungen zur Lösung von Problemen im Nachfolgeprozess. Ausschlaggebend ist es dabei nicht, ob der Antragsteller ein vorhandenes Unternehmen übernimmt, sich daran beteiligt oder ein neues gründet.

Auch zu den Beratungskosten bieten die Bundesländer Zuschüsse und/oder eine kostenfreie Gründungsberatung für die Vorgründungsphase an. Somit erhalten Nachfolger die Möglichkeit, sämtliche Fragen zu ihrem Businessplan sowie zu den weiteren Vorbereitungen einer Unternehmensnachfolge rechtzeitig zu klären.
Im Rahmen von Nachfolgeverhandlungen bedürfen nicht nur Übernehmer, sondern häufig auch Übergeber externe Beratungsleistungen. Insbesondere Mittelständler zeigen sich mit Blick auf das Beratungsangebot oft unsicher. Der Staat erachtet es daher als angemessen, Übergebern von kleinen und mittelständischen Unternehmen Beratungshilfen zur Verfügung zu stellen, jedoch nur in der frühen Phase der Sensibilisierung und Vorbereitung einer Nachfolge, um dem Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe zu entsprechen.
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Wie man sieht, erweist sich die Planung einer Nachfolgeregelung in der Regel als ein langwieriger und äußerst komplexer Prozess. Der gute Wille des scheidenden Unternehmers allein reicht oft nicht aus, um den Erfolg der Regelung zu gewährleisten. Aus diesem Grund ist professionelle Beratung unverzichtbar. Ein erfahrener Berater kann nicht nur wertvolle Unterstützung leisten, sondern auch aufgrund seiner neutralen Perspektive als externe Person das Projekt effektiv moderieren.

Unumstritten ist, dass die Nachfolgeregelung aufgrund der demografischen Entwicklung zu einer stets größeren Herausforderung für Betriebe wird. Nichtsdestotrotz sollten diese das Thema nicht als lästige Pflicht, sondern als Chance betrachten. Denn eine gut durchdachte Nachfolgeplanung sorgt nicht nur für Kontinuität im Unternehmen, sondern kann auch dazu beitragen, dass dieses zukunftsfähig bleibt und sich langfristig erfolgreich im Markt behaupten kann.

Graziella Mimic